Das Urheberrecht kann eine Keule sein: Der Simon Verlag für Bibliothekswissen (www.Musiksimonverlag.de) will eine Anthologie zeitgenössischer Lieder herausgeben (Aus der Tiefe der Gesang, ISBN 978-3-940862-59-4). Die Veröffentlichung verzögert sich, weil eines der schönsten Stücke als Text eine portugiesische Übersetzung eines Gedichtes von Lasker Schüler vorsieht: Riederer, Fernando: Da Carne do teu Coracao/ Aus Deinem Herzfleisch. Die Lizenzverhandlungen mit den beiden Verlagen (Suhrkamp und dem brasilianischen Verlag) waren erfolglos, daher wird als trauriges Ergebnis das Stück zur Zeit nicht veröffentlicht werden.

Der Verlag plant, Between the public and the private, libraries in the eBook age eine Monographie zweier hochqualifizierter kroatischer Wissenschaftler herauszugeben. Der kroatische Verlag stellte die Lizenz kostenlos zur Verfügung, da er gesehen hat, wie wichtig die Teilnahme zweier Fachvertreter aus Kroatien für die weltweite Diskussion um Fragen der digitalen Veröffentlichungen ist.

Das Urheberrecht ist voller Tücken und Fallen und bedarf immer der Abstimmung der Partner, wie die beiden oberen Fälle zeigen. Deshalb ist die offene Darlegung eines Geschäftsmodells durch die illegale Plattform Boox.to nicht nur ärgerlich, sondern auch gefährlich (Süddeutsche Zeitung 03.09. 2013). Sie öffnet, wie so viele andere illegale Modelle im Internet, Tor und Tür für vieles: von der Veröffentlichung getürkter Empfehlungen, gewerbemäßiger Anhäufung der Anzahl der Klicks bis zu jeder realen Grundlage entbehrenden Anklage durch Juristen wegen angeblicher Downloads von Liedern und Filmen wie auch Betrügereien und Drohungen. Doch überall in Europa können auch Einzelpersonen vor dem Gerichtshof in Brüssel klagen, einer der größten Errungenschaften der letzten Jahrzehnte. Das ist ein mächtiger Schutz und wie wir auch an der Entgegnung des Vorsitzenden des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels (Tagesspiegel 03.09.2013, Kein Eigentum im Netz?) sehen, vielleicht der einzige wirksame. Denn: wie nicht nur die Ausspähaffäre der Telekommunikation bei dem Datenschutz zeigt, den Nutzern und besonders denen, die die Inhalte zur Verfügung stellen, fehlt der Schutz ihres geistigen Eigentums. Nachdem durch Leasing und Rückgang der Möglichkeit, in Großstädten Eigentum zu erwerben, auf der einen Seite und die Diskussion um Wissen, Bildung und Kreativität auf der anderen Seite, das Leben vieler beherrscht wird, sollen geistige Produkten allen kostenlos zur Verfügung stehen. Dabei sind Kreativität und neue Ideen, neue Ansichten und Einsichten wichtiger denn je, nicht nur für jeden Einzelnen, sondern für alle Völker. Wissen, Klugheit und Weisheit bestimmen die Zukunft. Sie werden den Markt als allein erlösende Bestimmung ablösen.

Das Interview mit Boox.to endet mit: Also ist unser Weg - traurig aber wahr - diese Wunderwelt niederzubrennen… Wenn wir in zwei oder drei Jahren 90 Prozent der Leser erreicht haben, fragen wir mal vorsichtig an, ob die Verlage bereit sind, unsere Existenz anzuerkennen. Falls sie dann noch existieren.

Das ist eine Kriegserklärung. So martialisch wollen wir das ausdrücken, denn auch die überregionale Zeitung Westfälische Rundschau, spart ein und zwar alle Journalisten. Sie druckt einfach Artikel von anderen Blättern ab. Geht das gut aus für die Journalisten und für den Journalismus? fragt das Dossier (Die Zeit, 29.08.2013), wie auch Auf die Knie, Europas größtes Nachrichtenmagazin zerlegt sich selbst (Spiegel) (Süddeutsche Zeitung, 30.08.2013). Eine Horrorvorstellung: eine Zeitung, die für eine Region und darüber hinaus von großer Bedeutung war und jetzt mit höheren Preisen und dem Verlust an Kreativität und Bürgernähe, (was ohne recherchierende Journalisten selbstverständlich ist) schon einen großen Leserschwund hinnehmen muss, und der langsame Tod Des Spiegels, dessen Ausgaben mit aktuellen Berichten, am Donnerstag erschienen, schon am Sonntag ausverkauft waren. Allzumal sich auch hier die Urheberrechtsfrage stellt, was Boox.to macht, kann ja der Westfälischen Rundschau recht sein: abkupfern, in der Schule war es verboten. Wie wir wissen, in der Universität auch.

Die Folgen sind fürchterlich. Wir werden uns zu Tode langweilen. Schon jetzt bietet das Fernsehen, immerhin immer noch die liebste Freizeitgestaltung der Deutschen in einem Maße, wie das früher nicht möglich war, Wiederholungen. Die immer wiederkehrenden weißen Wohnungen, sich schlagende Autos und grüne Wiesen, viele Bäume und Blätter sollen über Langweiligkeit hinwegtäuschen, so wie die sich endlos wiederholenden Gesten siegender Fußballer. Noch schwerwiegender ist der Verlust an Gerechtigkeit und Demokratie. Wer guckt einer Regierung, mag sie nun national oder kommunal sein, auf die Finger, wenn nicht eine freie Presse und recherchierende Journalisten? Wer erzählt uns Geschichten, die uns rühren und unvergesslich sind, wenn nicht Dichter, die nun für 10 Euro Gesamtgewinn ihre Geschichten zum Scannen und Download frei geben sollen? Und wer macht aus rohen Texten, die grammatikalisch falsch, sachlich zu eruieren, kurz sorgfältig zu lektorieren sind? Wer vermarktet sie und hält damit Bücherfeste, wie die Leipziger Buchmesse, am Laufen, wenn nicht der Verleger? Die Ankündigung, Dichter, Künstler, Verleger und andere Buchmacher einfach zu bestehlen, hat etwas so Schamloses, dass man sich nur voller Hoffnung des Europäischen Gerichtshofes erinnert. Die Politik des eigenen Landes scheint hoffnungslos unterlegen zu sein, angesichts dieses öffentlich bekannt gemachten Rechtsbruchs.

Das Regime des Dritten Reiches fand seine größte und nachhaltigste Unterstützung durch den Niedergang der Justiz und – man denke nur an die bevorstehende Wahl, der größte Wunsch der Menschen ist der nach Gerechtigkeit. Diese Überzeugungen sollten nicht verloren gehen - auch nicht im Netz.