Ein Erlebnisbericht

Gigant ohne Geist nennt Die Zeit vom 24 August 2012, Nr. 35 ihr Feuilleton und weiter: Der Konzern macht mittlerweile selber Bücher – nicht nur elektronische, sondern auch gedruckte. Damit greift Amazon das alte System Verlag, Buchhändler frontal an. Der Buchkultur, wie wir sie kennen, droht der Kollaps.

Das ist dramatisch. Es lohnt aber, sich in einem kleinen Rückblick zu vergegenwärtigen, warum Amazon zu der Monopolstellung kam, die er als Lieferant schon lange von Büchern hat.

Als wir vor fast 30 Jahren nach Berlin Charlottenburg zogen, waren wir begeistert: eine wunderbare Infrastruktur mit Drogerie, Wäschegeschäft, Blumenhandel, Bäckerei, Metzger und eine Buchhandlung. Sie war unser Ansprechpartner. Mit Büchern für die Kinder, Lexika und Weihnachtsgeschenken, gaben wir ungefähr 1000 DM im Jahr dort aus. Wünsche wurden recherchiert und bestellt- besonders für unseren, auf Stadtpläne spezialisierten 10jährigen Sohn- wurde jeder Stadtplan bestellt von Singapur bis Wolfenbüttel. Das änderte sich langsam. Auf meine Entgegnung, nach dem abschlägigen Bescheid eines Wunsches, das wäre aber in Amazon gelistete, erhielt ich die Antwort, dann möge ich das Buch doch dort kaufen. Was ich tat. Ich habe diesen Laden, sehr zu meinem Bedauern, nie wieder betreten. Wir kauften bei Amazon oder Schleicher, Dahlem, wo immer noch Bücher recherchiert und besorgt werden.

Kleine, auch größere Buchhandlungen, die jenen Einkaufsspaß vermitteln, der in der Fernsehreihe Gleich nebenan- von vielen geliebt wird, behaupten sich heute noch gut. Aber sie brauchen eine Stammkundschaft, die ihnen vertraut und die sich auf ihre Buchhandlung verlassen kann. Jedes Buchangebot im Warenhaus wird dann gemieden.. Ein Besuch in einer solchen Buchhandlung erfolgt regelmäßig und mit Freude. Es wäre die beste Strategie gegen den Monopolisten Amazon, den man aber bescheinigen muss, das er in eine Lücke gesprungen ist, die er früher als andere entdeckt hat und die ihm jetzt diese Monopolstellung beschert hat.

Nun aber die andere Seite, die Seite der Verleger- Die Zeit schreibt, dass zu den Stärken der alten Verlagswelt das Lektorat gehört. Es mag für uns als kleiner Fachverlag Simon Verlag für Bibliothekswissen jetzt billig sein, darauf hinzuweisen, dass bei uns kein Buch, wie es als Manuskript auf unsrem Schreibtisch gelandet ist, den Verlag als Buch verlässt. Wir seufzen auch beim Lektorat über die vielen vielen Grammatikfehler und die vielen Unstimmigkeiten bei der Herausgabe der auf Examenarbeiten beruhenden Publikationen, die aber für das Fach so wichtig sind, denn im Bibliothekswesen hat sich vieles grundlegend geändert. Das kostet viel Zeit und wir würden uns eine bessere Betreuung dieser Arbeit wünschen, die den Aufwand reduzieren würde. Wir wissen selber, dass immer mehr Bücher von Verlagen ohne Aufwand und Mühe durchgeschleust werden. Dass wir das nicht tun, wird uns manchmal vorgeworfen. Wozu aber ein Verlag , wenn er nichts tut.

Publishing on Demand war so ein Ausweg – aber das System dient eigentlich nur zur Befriedigung des eigenen Selbstgefühls, wenn man sich wünschte, gedruckt zu werden. Das mag teuer sein, ist aber einfach und für jeden handhabbar.

Warum wollen wir als kleiner Verlag auf jeden Fall im Amazon vertreten sein? Weil wir nur so sichtbar sind. Man vergisst manchmal, dass Amazon einer die größte Datenbank für die Verfügbarkeit von Büchern aufgebaut hat, die von allen genutzt wird – auch von Bibliotheken. Immer wieder erreichen uns Anrufe von kleinen Bibliotheken oder Leser in kleinen Ortschaften mit der Frage, ob der eine oder andere Titel unseres Verlages vergriffen sei, was nicht stimmt. Das ist umso ärgerlicher, denn auf unsere Angebote, Titel in Kommission zu geben, gerade auch an Buchhändler in kleinen Orten, für die Bibliotheken doch Kunden sind, wurde negativ reagiert wurde. Da ist Amazon unser Freund, denn nur hier kann man sehen, dass diese Titel beileibe nicht vergriffen sind. Daher ist uns die Vertretung bei Amazon wichtiger denn je. Denn jeder Leser kann uns finden. Wenn sich keine Buchhandlung auf dem Lande findet, die die Bücher besorgen kann, hoffen wir auf ein Zeichen mittels des Kontaktbogens unserer webseite www.simon-bw.de. Wir antworten immer und sofort.

DIE ZEIT zeichnet ein negatives Bild für die Entwicklung der Buchkultur. Aber die deutsche Buchkultur, auch die anderer europäischer Länder unterscheidet sich wesentlich von der in den USA, in denen selbst Geisteswissenschaftler keine eigenen Bibliotheken, sie haben Service und Bestand immer zur Hand. Buchhandlungen – wie auch Bibliotheken- leben von ihren Dienstleistungen und einer neugierigen Leserschaft. Möge das weiter bestehen bleiben.

Dass mag umso wichtiger sein, wenn man sich vor Augen hält, dass 74 % der Bundesbürger überhaupt keine Medien im Internet nutzen. (wie Password, Push scheibt). Das mag sich ändern, aber voraussichtlich nicht in den nächsten Jahren wenn die Generation noch zahlreicher wird, die heute schon an der Gebrauchsanweisung elektrischer Geräte scheitert.

Elisabeth Simon