»Vorlesen reicht nicht – Planlosigkeit bestimmt die Arbeit in Kindergärten. Gerade für die Sprachförderung der Jüngsten fehlen gute Konzepte« schreibt Rose Götte in DIE ZEIT vom 11. August 2011. Sie ist Autorin des Buches Sprache und Spiel im Kindergarten und war von 1994 bis 2001 Familienministerin in Rheinland Pflalz. Sprache ist der Schlüssel zu guten schulischen Leistungen, zu besseren beruflichen Chancen und, wie man nach zu langer Zeit herausgefunden hat, zur Integration. Seitdem wird die sprachliche Entwicklung, z.B. in den kommunalen Kindergärten Berlins bürokratisch genau beoabachtet und bewacht. Das mag man für sinnvoll halten oder nicht, es hat die Aufmerksamkeit der Politiker und der Bevölkerung auf die frühkindliche Erziehung gelenkt, deren Bedeutung der Wissenschaft in Pädagogik und Psychologie auf breiter Basis eigentlich seit den 60erJahren des letzten Jahrhunderts bekannt war.

Viele Kindertagesstätten vertrauen darauf, daß Kinder in ihrer Kreativität und Neugier, die uns Erwachsene ja immer wieder in Erstaunen setzt, schon die rechten Anregungen finden, daher beschänkt sich der offene Kindergarten auf Angebote. Dem folgen die Erzieherinnen mit der mitunter Nerven fordernden Aufsicht und der Vermittlung der notwendigen Kompetenzen, wie Anziehen, Essen, Aufräumen. Sehr oft fehlt ihnen auch die Zeit zu weiterführenden Aktivitäten. Daher ähneln diese Kindergärten, wenn auch viel liebevoller und besser ausgestattet, als früher, doch im Kern den früheren Verwahranstalten, es fehlen ihnen sehr oft die Erfahrungen, die sich unmittelbar mit dem Spracherwerb verbinden und in unzähligen Wiederholungen ein Erlebnis begleiten und so dem Erfahrungsschatz der Zwei-, Drei- und Vierjährigen erweitern und damit deren Spracherwerb. Die Erlebniswelt muß Einzug in den Kindergarten halten, nicht nur zum Spracherwerb, auch zur Vermittlung von Welt und Umwelt, mit dem Ziel, dass der Kindergarten dann zur täglichen Erlebniswelt der Jüngsten wird. Dann würde der Kindergarten wirklich eine Fortentwicklung der häuslichen mütterlichen Erziehung mit ihren Einschränkungen in der viel zitierten Zwei- oder Dreizimmerwohnung sein. Keine Mutter würde dann noch meinen, dass sie auf den Kindergarten für die Entwicklung ihrer Jüngsten verzichten könnte, auch wenn sie vorerst auf die Berufsarbeit verzichten will und oder auch verzichten muss.

Lauschen und Lesen (mit CD) und Erzählen und Entdecken – Lebendige Spracherfahrung mit Naturgeschichte nennt Susanne Brandt ihre Bücher zu Hör-, Sprach- und Leseerfahrung. Sie vermittelt Erfahrungen und den Erwerb von Erfahrungen beim Basteln, im täglichen Leben, beim Hören und Machen, bei einer phantasievollen und faszinierenden Umwelt in der Natur. Erzieherinnen haben wirklich wenig Zeit, aber ein Kindergarten, der sich diesen Anrgegungen öffnet, gibt der Erfahrungswelt Raum. Er wird den Kindern Freude machen und nicht nur diesen. Gönnen Sie sich diese Freude.

Elisabeth Simon
September 2011