Unter diesem Titel stand die 40. ABDOS Tagung in der Zentralen Wirtschaftswissenschaftlichen Bibliothek (Central Economic Library) in Ljubljana, Slovenien.

ABDOS, der etwas sperrige Name für Arbeitsgemeinschaft der Bibliotheken und Dokumentationsstellen der Ost-, Ostmittel- und Südeuropaforschung e.V. Südosteuropa- Gesellschaft, München und ASO Ljubljana widmete die diesjährige Tagung der Integration.

Integration – dieses oft schwammig definierte Schlagwort in der Diskussion um Einwanderer und Ausländer, meist aus arabischen Ländern, fand in dieser Tagung eine europäische Basis.

Integration wird als Voraussetzung für ein gemeinsames Europa zitiert, denn trotz vieler europäischer Gemeinsamkeiten fehlt es allgemein an Ritualen, die alle Staaten dieses Kontinents verbinden und die sich in den vergangenen Jahrhunderten als Klammer neuzeitlicher Staatsbildung erwiesen haben. Im Gegenteil – Kirche und Religion verlieren ihre umfassenden Gemeinsamkeiten und damit ihre gesellschaftliche Integrationskraft.

Europakompetenz als Voraussetzung für Integration. Dazu gehören, wie wir alle wissen, aber leider nicht immer bewusst machen, die Sprachkompetenz, aber auch der allgemeine Zugang zu Quellen über Ost und Mitteleuropa, der viele Jahre die Basis für die Arbeit mit den Staaten Ost und Mitteleuropas bildete. Schwierigkeiten, den Zugang zu Dokumenten und Informationen über die »Länder des Ostens« zu erhalten, bildeten die Grundlage mancher Institutionen in Deutschland. Dabei ging es in erster Linie um diesen Zugang, nicht um Integration, die auf Grund der politischen Lage verschlossen war.

Dieses hat sich nun grundlegend geändert. Der Zugang zu den Informationen ist heute möglich und durch die technische Entwicklung revolutioniert. Die Digitalisierungsvorhaben vieler Bibliotheken, aber auch die zahlreicher Firmen, die ihre Produkte auf der Tagung vorstellten, zeugen davon. Von der Digitalisierung einzelner Werke, besonders Bibliographien, wie sie am aktuellen Stand der ukrainisch-österreichischen biographischen Zusammenarbeit oder auch des niedersorbischen Testaments von M. Jakubica aus dem Jahre 1548 vorgestellt wurden, bis zur Massendigitalisierung der Slowakischen Nationalbibliothek, die damit eine elektronische Ausgabe jedes slowakischen Buches vorhalten will, unterscheiden sich Ansätze und Vorhaben der jeweiligen Projekte. Die Bestandzusammenführung von Periodika (Osteuropa-Institut, Regensburg), wie die wissenschaftliche Qualitätskontrolle in fachorientierten Repositorien und der bibliographische Datenpool des Slavisitik-Portals gaben den Teilnehmern einen umfassenden Überblick auf Entwicklungen, die den Zugang zu Informationen aus den betreffenden Ländern revolutionierten und weiter revolutionieren werden.

Und doch! können wir die Informationen nutzen ohne eine Europakompetenz, für deren Ausdehnung nach Ost- und Mitteleuropa die ABDOS sich einsetzt und streitet. Daher war der Besuch von Oliver Zille, Direktor der Leipziger Buchmesse ein großer Gewinn. Die Messe Leipzig hat zusammen mit der Bosch Stiftung und TRADUKI, dem Netzwerk für Übersetzungen aus, nach und in Südosteuropa im März dieses Jahres Schriftsteller aus Serbien und anderen Ländern dem Publikum vorgestellt. Stände der Länder wie Slovenien und Kroatien stellten nicht nur die Ländern sondern auch ihre Produktion vor, so dass das Publikum sich vor Ort informieren konnte. Aber dieses alles könnte ohne Diskussionen und Lesungen auf dieser Messe nicht die Nachhaltigkeit entwickeln, die für den Erwerb einer Europakompetenz notwendig ist.

Schon vor Jahren hat ein großer französischer Verlag Literatur aus den Ländern Ost- und Mitteleuropas herausgegeben, die im Sender Arte unter dem Titel Die unbekannten Schönen dem Publikum vorgestellt wurden. Diese Titel konnten also zu dieser Zeit nur in der französischen Übersetzung gelesen werden. Europakompetenz erstreckt sich auf ganz Europa und dazu gehört die Begegnung mit der Kultur dieser Länder, denn nur sie kann die Nachhaltigkeit bewirken, mit der sich diese Europakompetenz aufbaut. Leipzig spielt dabei eine große Rolle, aber auch Berlin besinnt sich auf seine Brückenfunktion, wie es das Tschechische Konzert beweist, das unter der Schirmherrschaft des Bürgermeisters und der tschechischen Botschaft jetzt stattfindet.

Mit seinen Initiativen und Institutionen aber auch großem persönlichen Engagement wie sie z.B. der Wieser Verlag, Klagenfurt zeigt, hat sich Österreich in die zahlreichen europäischen Initiativen auf dem Balkan eingebracht. Das mag an den Traditionen dieses Landes liegen, das z.B. Bibliothekartage in Kroatien und Ungarn schon besucht hat, als dies nicht auf der Agenda deutscher Bibliothekarischer Verbände zu finden war. Das mag auch am österreichischen Pragmatismus liegen. Dieses wünscht man auch Deutschland, damit sich die Europakompetenz nicht in dem oft erfolglosen Kampf mit der europäischen Bürokratie erschöpft.

Mehr Europakompetenz ist notwendig und dazu gehört Ost- und Südosteuropa. Wie gefährdet Europa von innen ist, zeigen die Schwierigkeiten des Finanzmarktes und die nachfolgende Diskussion. Es fehlt immer noch, und das ist eigentlich selbstverständlich, wenn man an den kurzen Zeitlauf der europäischen Integration denkt, an einer gemeinsamen Basis. Diese kann sich nur im Tun erworben werden. Die ABDOS muss ihr Gesicht und ihre Aufgaben ändern. Das geschieht. Welch ein wichtiger und bedeutsamer Partner die ABDOS bei Europakompetenz und Integration sein kann, zeigt die diesjährige Tagung in Ljubljana. Die ABDOS wird erneut auf der Buchmesse in Leipzig präsent sein, auch mit einer Veranstaltung. Sie kann von allen besucht werden, die nach Leipzig in immer größerer Anzahl kommen. Sein Lesefest vermittelt europäischen Austausch wie wenig vergleichbare Veranstaltungen. Die Kooperation mit ABDOS und der Messe Leipzig ist daher ein guter Weg auf dem pragmatischen Weg zur Europakompetenz.

Elisabeth Simon
Juni 2011