Zu dem Arbeistgespräch Das Ende der Bibliothek hatte das Forschungszentrum Gotha für kultur- und sozialwissenschaftliche Studien mit seiner Forschungsbibliothek (seltene und wertvolle Bestände zur Reformation und frühen geographischen Drucken) eingeladen. Wenn man erwartet (oder auch befürchtet) hatte, mit einer weiteren Schilderung umfassender Digitalisierungsvorhaben und dem Ende der Bibliothek als Ort der Forschung, der Begegnung (auch international) der kommunalen und der interdispziplinären Arbeit eingeladen worden zu sein, hatte sich getäuscht. Schon die Einführung von Uwe Jochum, UB, Konstanz, der zusammen mit Arnim Schlechter, Pfälzische Landesbibliothek die Konferenz organisiert hatte, wies auf die Gefahren der informationstheoretischen Wende vor 40 Jahren hin, die mit der Digitalisierung letztendlich auf eine bibliothekarische Monokultur zusteuert. Der damit verbundene Kulturbruch vernachläßigt die mediale Frage, die zu einer Entmaterilisierung der Bibliotheken führte, aber den Bedürfnissen der Menschen diametral entgegen läuft. Alle neue sozialen Entwicklungen im Internet wie facebook und library 2.0 beruhen auf dem Bedürfnis der Menschen nach Gemeinschaft, die durch die Bibliothek als Ort befriedigt werden könnte. Dieser Faden wurde plastisch und wunderbar einprägsam von Hans-Christoph Hobohm aufgenommen, der an Hand von Schlagworten wie Mythos, Zeit, Schrift Bibliotheksbauten zeigte, die diese die Bibliotheken betreffende Schlagworte visualisierten.

Verlage und Bibliothekare müssen sich als Partner nicht mehr oder weniger feindlich gegenüber stehen, wie die Vertreter des Mohr Siebeck Verlages und des Hanser Verlages, die auf die Kehrseite der Wissensgesellschaft hinwiesen, deutlich machten. Fast alle Redner unterzogen auch die Forschungspolitik und ihren Auswirkungen einer harschen Kritik, angefangen von der zunehmenden Spezialisierung, die der gegenwärtigen Annäherung der Geisteswissenschaften an andere Wissenschaften, wie z.B. die Medizin widerspricht oder der quick und dirty Forschung mit einem Leseverbot, die angeblich zuviel Zeit kostet, bis zur Angeberei bei der Gestaltung der Fußnoten.

Es gab fast keine Power Präsentation sondern sprachlich geschliffene, geistreiche, interessante Vorträge – eine Renaissance der Vortragsform früherer Veranstaltungen? Ein Ende der Bibliothek? Wenn man bedenkt, daß Brockhaus und Britannica ihre Produktion einstellen wollen und jedermann für gute und schnelle, besonders korrekte Information nur noch auf Wikipedia angewiesen ist, kann nur hoffen und wünschen, daß die Bibliothek als kommunaler Ort erhalten bleibt, sei es eine wunderschöne Forschungsbibliothek mit einer Handschrift zur Begegnung mit einer anderen Epoche oder die Öffentliche Bibliothek um die Ecke mit der präzisen Information für das tägliche Leben und dem Roman, der zu einer literarischen Begegnung führt.

Elisabeth Simon
April 2010