Menschen wollen wissen, nannte der BID seinen 4. Leipziger Kongress für Information und Bibliothek, dem sich die Leipziger Büchermesse, dieses große Bücherfest, das Jahr für Jahr mehr Besucher anzieht, anschloss.

Auch wenn der Kongress der Bibliothekare sich unter das Motto, Bibliotheken im 21. Jahrhundert: international, interkulturell, interaktiv vorstellte, so war doch der alte Gegensatz zwischen der modernen Information und ihrer Vermittlung in den verschiedenen Formaten auf der einen Seite und dem guten alten Buch untergründig zu spüren und dieses besonders deutlich in dem zunehmenden Verlust des Wortes Bibliothek (in den USA dagegen erlebt das Wort library seit Jahren eine Renaissance) und den verschiedenen department of information (Hamburg!) und ihren Programmen.

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 R. Strzolka (Audio Ausschnitt)
 W. Umstätter (Audio Ausschnitt)

Wenn aber auf der Messe in Leipzig das onleihn-buch.de eine neue Einfachheit des Lesens und Leihens angeboten wird, sollte das eine umfassende Diskussion um Strategien der Bibliotheken bewirken, wie sie Dr. Wawara in seinem nachdenklichen Vortrag über die Zukunft der Bibliothek (Sitzung Forum Zeitschrift GeSIG e.V.) begann. Strategien und die Neuentdeckung des politischen Umfeldes mit Lobbyarbeit (Barbara Lisson) Kultur in der Krise – Bibliotheken in der Krise suchten neue Wege, um die Bibliothek in die Mitte der Kommune zu rücken, sei es die Stadt oder die Universität. Neue Aspekte in der nachhaltigen Zusammenarbeit, bei der die Bibliothek der Mittelpunkt der Netzwerkarbeit ist (Susanne Brandt) weisen einen innovativen unfehlbaren Weg aus der Krise der Öffentlichen Bibliotheken, hinreißend dokumentiert in dem Buch Erzählen und Entdecken. Lebendige Spracherfahrung mit Naturgeschichten, ein Praxis und Lesebuch für Bibliotheken, Schulen, Kindergärten und freie Gruppen. Lobby und direktere Zusammenarbeit zwischen den Bibliotheken und den politischen Akteuren forderte auch die Diskussion auf der Messe Arm am Beutel, krank am Buch, Bibliotheken in der Krise, hochrangig besetzt mit Frau Prof. Beger, Hamburg, Dr.Ackermann, Leipzig, Frau Regine Lemke,Friedrich Bödecker Kreis und dem Verband der Deutschen Schriftsteller und Ver.di.

Auch hier wieder die Forderung nach Bibliotheken als Träger der Mehrwertkultur und Schulbibliotheken wie in Neue Formen bibliothekarischen Engagements für bessere Bildungschancen auf dem Leipziger Bibliothekskongress. Wie sich die über Jahrzehnte mangelnde Förderung der Schulbibliotheken (dies zeigte auch der Kongress der Schulbibliotheken im Potsdam im November letzten Jahres) gegenwärtig in der mangelnden Aufnahme der teaching library and der Vermittlung von Informationskompetenz auswirkt, wurde immer wieder, gerade auch in den ausländischen Beiträgen, während des Bibliothekskongresses deutlich. Der allen Reformbestreibungen innewohnende Konkurrenzkamp in der Nutzung und Umsetzung von Informationen wird letztendlich eben nicht in der Universität sondern in der Schule entschieden- und in diesem Punkt hat Deutschland bis zu diesem Zeitpunkt keine effektiven Strategien entwickeln können und die Bibliotheken konnten sich mit ihren Vorschlägen und Arbeiten zu diesem Problem nicht durchsetzen. Wie Frau Dr. Beger während der Diskussion auf der Messe auch deutlich machte, sind Bibliotheken erst kürzlich als Einrichtungen der Bildung anerkannt. Schade nur, dass die Veranstaltung auf der Messe mit ihrem hörbaren politischen Impetus nur sehr spärlich besucht war. Vielleicht sollten sich Messe und Bibliothekskongress noch besser, auch terminlich vernetzen, damit nicht ein Ergebnis eintritt, was Dr. Rainer Strzolka in seinem Handbuch der Kulturzerstörung unter großer Begeisterung der Zuhörer auf der Messe süffisant beschrieb, Handbuch der Kulturzerstörung ... oder wie man aus einer Bibliothek eine Wüstenei macht.

Ob dagegen Bibliotheken als Akteure im Forschungsdatenmanagement eine zukünftige Rolle

trotz großer Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft spielen werden, bedarf der Diskussion zwischen Wissenschaftlern und Bibliotheken, damit man nicht hier die vergleichbare Enttäuschung erlebt wie bei der Einrichtung der Portale, die die Ergebnisse und auch Zwischenergebnisse der Wissenschaftler der Öffentlichkeit zugänglich machen sollten und von diesen nicht bedient wurden.

Berufsethik und gesellschaftliche Verantwortung spielen im öffentlichen Diskurs eine große Rolle, auch angesichts der Bankenkrise, die aber von einer Vertrauenskrise in öffentliche Einrichtungen und politische Entscheidungsträger gefolgt wurde. Dies ist ein globales Problem und der Codes of ethic für den Berufsalltag, wurde nicht nur in den USA sondern auch in Polen Leitlinien für das berufliche Handeln. Zwei polnische Autoren Zdzislaw Gebolys und Dr Jacek Tomaszczyk haben daher diese professionellen Leitlinien gesammelt, die demnächst in einer Anthologie erscheinen werden. Sie machen deutlich, dass verantwortungsvolle Bibliothekare mit einem politische aufgeschlossenen Umfeld die Bibliothekslandschaft neu gestalten können. Codes of ethic haben die mission statements in vielen Bibliotheken abgelöst und doch sind sie die Vorderseite der gleichen Medaille. Es geht um die Verantwortung der Bibliotheken für die Bevölkerung und ihrer Entwicklung, um die Erkenntnis ihrer Möglichkeiten und der nachhaltiger Umsetzung ihres Bildungs- Kultur- und Wissenschaftsanspruchs.

Wie schwer die Vermittlung dieses Bildes den Bibliotheken immer noch fällt oder schwer gemacht wird, zeigte auch übervoll besuchte Veranstaltung des Bibliothekskongresses Kultur in der Krise- Bibliotheken in der Krise. Frau Stumm mit ihrem engagierten Vortrag über Förderprogramme zeigte die vielfachen Schwierigkeiten, auf die Bibliotheken bei Antragstellung treffen, mangelnde Kenntnis und ein altmodisches Image der Bibliotheken, wie es gerade eine Universitätsbibliothek bei der Ablehnung eines Antrages zur Vermittlung von Informationskompetenz durch die EU zur Kenntnis nehmen musste, mangelnde Unterstützung durch die kommunale Verwaltung, die anderen Projekten den Vorzug geben, auch wenn diese Lernen und Bildung vollmundig fördern und die Bibliotheken selber, denen nur sporadisch das Planen, Strategien, Geduld und Stärke für die Antragstellung von Projekten übermittelt wurde- wobei Zweifel angebracht sind, ob dies heute in stärkerem Maße beim bibliothekarischen Nachwuchs geschieht. Dies würde die Krise der Bibliotheken in die Zukunft verlängern.

Menschen wollen wissen – Menschen wollen lesen. Was für herrliche Aussichten für Bibliotheken, als Orte der Lektüre, der Information und der Begegnung- eigentlich sollten sie von der allgemeinen Krise der Ökonomie und des sozialen Zusammenhaltes profitieren!

Elisabeth Simon, HonFCILIP 
März 2010