Die hoch angesiedelte Konferenz Digitale Wissenschaft (Stand und Entwicklung digital vernetzter Forschung in Deutschland 20.09.2010 in Köln, OPUS 4 | Digitale Wissenschaft - Stand und Entwicklung digital vernetzter Forschung in Deutschland (hbz-nrw.de) endete mit dem Schlusswort: „ … dass uns bei all den Diskussionen ... derzeit noch keine echte, d.h. virtuelle, Alternative zu einer Tagung eingefallen ist, kein Tool, keine Technik, die das gemeinsame Diskutieren und Erleben, die viel zitierten Gespräche in der Kaffeepause ersetzen kann …".

Bibliotheken haben sich relativ spät auf ihre Aufgabe als Zentrum der Kommune besonnen. Sie haben sich als Bücherschrank für jedermann, als Lernort und als Bildungseinrichtung definiert, ohne diesem Anspruch wie Karsten Schuldt nachwies, praktisch nachzukommen. Erst der in deutscher Übersetzung publizierte Aufruf von David Lankes, „Erwarten Sie mehr“, der ein lebhaftes Echo in der Kulturstiftung der Länder fand, wies der Bibliothek die Aufgabe zu, Mittelpunkt der Kommune zu sein. (s.a. „Die andere Bibliothek - Brief an eine Altbekannte“ unter Die andere Bibliothek - Brief an eine Altbekannte - Magazin 30 | Kulturstiftung des Bundes (kulturstiftung-des-bundes.de). Dabei wurde diese hier angesprochene Kommune weder rechtlich noch politisch eingegrenzt: Menschen, die sich nachbarschaftlich, mit einer Aufgabe, regional oder lokal, vernetzen wollen, sollten die Bibliothek als Zentrum ihrer Kommune ansehen. Mit dieser Aufgabe wurden auch die über die Entwicklung der letzten Jahrhunderte in den Bibliotheken getroffene Einteilung in Öffentliche oder Wissenschaftliche oder welche Unterschiede auch immer herausgestellt und gewünscht waren, in die zweite Reihe verwiesen.

„Im Schnittpunkt von Buchökonomie und Buchkultur stehen die Auswirkungen der Digitalisierung“, sagt die Professorin der Erlanger Buchwissenschaft Ursula Rautenberg. Es sieht aber zurzeit so aus, als ob dieser Schnittpunkt verloren zu gehen droht, weil die Angebote derzeit nur aus Digitalierungsvorhaben bestehen: mögen es Konferenzen und andere digitale Treffen, Fortbildungen oder Informationsangebote sein. Es war eine sehr mutige Entscheidung, die Buchmesse in Leipzig im Frühjahr 2021 abzusagen, weil, wie Oliver Zille es sehr klar ausdrückte, eine Messe eine Begegnung auf den verschiedenen Ebenen erfordert und dieses digital nicht möglich ist. Dem stimmen wir zu, obwohl uns diese Absage aus vielen Gründen sehr geschmerzt hat.

Was wird aus einer Buchwissenschaft ohne Buch?“ fragt die Erlanger Buchwissenschaft. Und wir können uns nicht des Eindrucks erwehren, dass die Vorherrschaft des Digitalen, dem sehr oft die Aura des Modernen anhaftet, durch die Aufholjagd des Buches in kleinen Buchläden leichte Risse bekomme hat. Auf der Ebene des Politischen hat dies Sorge auslöst, wie die Gründung eines nationalen Lesepaktes (Lesen eröffnet uns die Zukunft. Und unseren Kindern eine gute Zukunft. Dafür machen wir uns stark) zeigt. Dabei findet die Gründung dieser Stiftung ihr Pendant in Russland, getragen von ähnlichen Sorgen, dass die Beschäftigung mit einem Buch und einer Geschichte wohl andere Teile unseres Gehirns anspricht als eine permanente Beschäftigung mit elektronischen Nachrichten. Dies sagen wir hier auch angesichts einer permanenten pädagogischen Bedrohung der Kinder durch übermäßigen Fernsehgenuss bzw. Bildschirmkonsum in der Vergangenheit, der sich jetzt als erforderlich erweist.

Wie sehr Bücher zum guten analogen Leben beitragen können zeigen u.a. „Guten Tag - haben Sie Bücher“, dieses kleine Büchlein, das das Leben in der Stadtbücherei Marzahn nachgezeichnet hat, und sich als Bestseller erwies, wie auch die sanfte Satire „Ich bin ein Bibliothekar“ über einem Bibliothekar, der seinen Beruf als Partner des Lesers über alles liebt und aufgeben soll, zugunsten eines unnötigen Programms intellektueller Beschäftigung.

„Verantwortung für alle“ lauten jetzt schon die Forderungen, die auf tiefgreifende soziale und ökonomische Veränderungen hinweisen, die uns das Abflauen der Epidemie und ein Ende der Stille bringen werden. Den Bibliotheken wird dabei eine große Verantwortung zufallen, die sie auch einfordern sollen. Mit dem Sammelwerk: „Bibliotheken.Wegweiser für die Zukunft. Projekte und Beispiele“ zeigen sie, dass sie das können, man muss sie nur lassen und fordern (erscheint im 2. Halbjahr 2021).