„Amerika war groß, mutig und stolz“, schreibt die Korrespondentin der Zeit in den USA, Frau K. Kohlenberg am 8. Dezember 2016 an ihre Tochter. „Es war so ganz anders als mein Zuhause.“ Dies trifft den Nerv einer ganzen Generation. Angesichts einer Tabula rasa nach dem Zweiten Weltkrieg nicht nur auf dem Gebiet der Politik, auch der Kultur, stürzte sich die jungen Generation auf Schau heimwärts Engel (Thomas Wolfe) und auf Dos Passos` Manhattan Transfer, Dieser, einer der ersten Großstadtromane, wurde zur begehrten Lektüre. Jazz, die Ethnomusikologie, neue Gebiete und neue Kultur fanden ein neues Selbstverständnis nach Abschottung und feindlichen Labels wie Negermusik und anderen Kulturschrott, der auch in der Nachkriegszeit verbreitet wurde.

Nicht nur in Berlin und Hamburg, sondern auch in Städten mit amerikanischen Soldaten wie Bremerhaven entstanden Clubs, neue Literatur und Neue Musik. Trotzdem blieb Deutschland so ganz anders auch für diese Tochter aus einem Beamtenhaushalt, geprägt durch Ängstlichkeit und Vorsicht. „Mein Vater hat mir beigebracht, überall Gefahren zu sehen und ihnen aus dem Weg zu gehen, weil sie die Welt so klein machte“, schrieb sie. Deshalb war Amerika auch für sie kein Sehnsuchtsort wie für viele andere wie zum Beispiel für viele deutsche Bibliothekare.

Amerikanische Bibliotheken fragten nicht nach guten Verwaltungsangestellten oder Bildungsbeamten, was sich leider in Deutschland trotz frühzeitiger Warnung für die Gefährdung der Demokratie (Paul Ladewig: Katechismus der Bücherei, Leipzig 1922, erweiterte Neuauflage  Berlin 2011) nicht durchgesetzt hatte. Bibliotheken waren in Amerika keine Orte durchorganisierter Struktur, sondern sie dienten in erster Linie dem Leser, Nutzer oder Patron, wie er in Amerika genannt wurde. Daher wurde auch das Prinzip des Vertikal File, dem Vorgänger von Google und Online-Katalog nie angenommen, man sah die Welt des Wissens akademisch und systematisch, auch wenn dies viele Menschen von der Nutzung der Bibliothek ausschloss (Simon, E., Einführung in das Bibliothekssystem der Vereinigten Staaten, München 1989). Öffentliche Bibliotheken zum Beispiel erreichten erst später einen Nutzeranteil von 10% und mehr an der Bevölkerung.  Dazu Frau Kohlenberg:

„Amerika war für diesen deutschen Vater laut und oberflächlich und hätte er die Wahl von Trump erlebt, sehe er alle Vorurteile bestätigt. Und doch - fährt sie fort -  es ist nur ein Teil der Wahrheit. …. Aber ich habe eine Hoffnung, Und die hat wiederum mit einem Unterschied zwischen Deutschland und Amerika zu tun. In Deutschland haben wir einen Staat, der auf die Menschen aufpasst, und wenn er es nicht gut macht, schimpfen wir. In Amerika dagegen packen die Menschen selber mit an, wenn der Staat nicht funktioniert.“

Die lokale Ebene, die Neighbourhood ist in den USA, wunderbar und eng geknüpft, man kümmert sich um den Nachbarn, man fragt nicht nach dem Staat, sondern versucht, die Probleme selber zu lösen.

Deshalb ist es kein Wunder, dass einer der besten Bücher über und für das Bibliothekswesen von einem Amerikaner David Lankes verfasst wurde und jetzt in deutscher Sprache vorliegt, herausgegeben glücklicherweise von einem „Lehrer“, für angehende Bibliothekare,  Prof. H-Chr. Hobohm: Erwarten Sie Mehr!, Berlin 2017). Lankes beschreibt gute, sehr gute und exzellente Bibliotheken. Sie sind aber nicht gut oder exzellent, weil das Gebäude wunderschön ist und auch der Bestand ganz gut. Sie sind exzellent, weil sie Motor, Kreativposten und Mittelpunkt für eine Community sind. So  endet das Buch auch: “If you expect your library to inspire you, to challenge you, to provoke you, but always to respect you beyond  your means to pay - then you expect a great libary. Go out and get it“!! Kann es eine bessere, überzeugendere Forderung für Bibliotheken geben?  „Das bewundere ich an den Menschen hier (USA), ihren Einsatz für eine Gesellschaft, die einem nichts schenkt. Und vielleicht ist es das, womit ich Dir Mut machen kann“, so endet Frau Kohlenberg ihren Brief an ihre Tochter. Und deshalb sollten sich Bibliothekare von dem hohlen Machtgeklingel von Trump  nicht schrecken lassen und an ihrer Bibliothek  für ihre Community bauen. Das ist gar nicht so schwer, das erfordert Mut und Ausdauer, aber macht auch Freude. Also lassen Sie sich ermutigen, lesen Sie Lankes: Erwarten Sie mehr!